NG200403021
Fernando Uribe hat deutlicher als andere die Bedeutung dieser Lebensform unterstrichen, indem er ihre Wirkungsgeschichte aufzeigte: «Die Forma vivendi stellt demnach den ursprünglichen Kern dar, der die evangelische Erfahrung der Damianitinnen inspirierte. Er wird seinerseits zum Eckstein, der ihren ganzen Lebensentwurf nach dem Evangelium stützte und ihm die Richtung gab. Vier Elemente charakterisieren im Wesentlichen dieses Leben: a) der liebevolle Ruf Gottes, b) die freie Antwort der Schwestern, die das Evangelium radikal zu leben wählen, c) die trinitarische Beziehungsfülle dieses Lebens, d) der Bezug zu Franziskus als Inspirationsquelle und Stütze. Diese vier Elemente bleiben durch das ganze evangelische Abenteuer Klaras hindurch - über 40 Jahre – Fixpunkte und stellen die Grundinspiration der Lebensform von San Damiano dar. Mit grosser Wahrscheinlichkeit war diese Forma vitae dazu bestimmt, einen der Proto-Regel der Brüder vergleichbaren Weg zu machen... Durch die Erfahrungen der Gemeinschaft laufend angereichert», reift und entfaltet sie allmählich zur approvierten Regel 83 . Dass Klara diese forma – von Gregor IX. despektierlich als ‚potum lactis‘ bezeichnet – schliesslich «ins Herz ihrer Regel» einfügt, verleiht ihr nach Alfonso Marini ordenspolitisch betrachtet «unter anderem auch polemischen Wert» 84 . In der «forma vivendi» der Frühzeit hat Clara die Berufung und Lebenswahl ihrer Gemeinschaft so glücklich verdichtet gesehen, dass sie den Text in den Kernteil ihrer eigenen Regel einfügt. Als Textilkünstlerin hat die Schwester einen feinen Sinn für Komposition 85 . Tatsächlich erweist sich Claras Regel konzentrisch um diese Mitte komponiert. Zusammen mit der Ultima voluntas des Poverello ist hier das Wesentliche von San Damianos Berufung 868 NIKLAUS KUSTER 83 U RIBE , L’iter storico della Regola di S. Chiara , 213-218, 215. 84 A. M ARINI , «Ancilla Christi, plantula sancti Francisci. Gli Scritti di Chiara e la Regola, in Chiara di Assisi, 107-156. 125. 85 Zur Komposition der Clararegel, vor allem: M. C ARNEY , The rule of St. Clare and the feminine incarnation of the franciscan evangelical life (Rome 1989); H ENRI DE S AINTE -M ARIE , Présence de la Règle Bénédictine dans la Règle de Sainte Claire , in AFH 82 (1989) 3-20; P. VAN L EEUWEN , Clare’s Rule , in Greyfriars Review 1 (1987) 65- 76; allgemeiner J. G ARRIDO , La forma di vita di santa Chiara , (Milano 1989); L. I RIARTE , La Regola di santa Chiara. Lettera e spirito (Roma 1990), und Ch. A. L AINATI , Ordo novus, nova vita (Matelica 2001).
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDA3MTIz