NG200403021
ihrer Heiligsprechung ist Clara ungefragt zur Patronin jenes Frauenordens avanziert, dem anzugehören sie sich «mit unerschrockenem Mut» 4 ein Leben lang gesträubt hat. Ziel dieser Studie ist es, im Gang durch eine bewegte Geschichte aufzuzeigen, dass Clara und ihre Schwestern keine mittelalterlichen «Klarissen» waren – weder dem Namen noch ihrer Inspiration nach 5 . 1 NEUE LEBENSFORMEN FÜR RELIGIÖSE FRAUEN: IN MITTELITALIEN TRETEN ERSTE «SORORES MINORES» NEBEN «FRATRES MINORES» AUF Im Herbst 1216 schreibt der neu geweihte Bischof Jacques de Vitry aus dem Hafen von Genua an Freunde, er habe auf seiner Reise durch Umbrien einen ermutigenden spirituellen Aufbruch kennen gelernt. Er werde von Männern und Frauen getragen, die «allen Besitz aufgeben» und deren neues Leben an die Urkirche erinnert: «fratres minores», die tags in den Städten wirken und sich nachts an einsame Orte zurückziehen; «die Frauen leben dagegen in der Nähe von Städten in Herbergen zusammen und ernähren sich von ihrer Hände Arbeit» 6 . Offensichtlich hat der französische Prälat mehrere Gemeinschaften von «sorores minores» vor Augen, erscheinen deren «hospitia» doch in der Mehrzahl und ebenso die Städte, vor deren Toren die Schwestern leben. Kurz nach diesem Zeugnis lassen sich auch in der Toskana und in der Poebene ähnliche Gemeinschaften von «sorores minores» greifen. Neue Lebensformen «armer Frauen» finden ab 1218 die Sorge des päpstlichen Legaten Ugolino d’Ostia 7 . Im Dezember 1219 844 NIKLAUS KUSTER 4 LegCl 13 (9), zit. E. G RAU -M. S CHLOSSER , Leben und Schriften der heiligen Klara von Assisi (Kevelaer 2001) 132. 5 Das gilt in letzter Konsequenz auch für die Klarissen der ersten Regel, die Lázaro I RIARTE , Der Franziskusorden. Handbuch der franziskanischen Ordensgeschichte , Altötting 1984, 318 von den Urbanistinnen unterscheidet. 6 Lettres de Jacques de Vitry , éd. critique de R. B. C. H UYGENS (Leiden, 1960), 75. 7 Vor seinem Aufbruch zur zweiten Legation lässt der Segni-Kardinal sich am 27. August 1218 von Honorius III. das Schreiben «Litterae tuae nobis» ausstellen ( BullFranc, I 1-2): Damit kann er Güter, die zwecks Gründung armer religiöser Frauengemeinschaften gestiftet werden, unter den Schutz des hl. Stuhles nehmen.
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