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MEINOLF MÜCKSHOFF (1908-1991) 737 Scotus aus den christologischen und mariologischen Wahrheiten als Wahrheit in ihren inneren Zusammenhängen herausgearbeitet hat und wie sie die Kirche als offenbarte Wahrheit verkündet hat, hat mit dieser Botschaft des Es etwas, sogar alles zu tun. Die Wahrheiten unserer Kirche sind nicht irgendwelche Spielereien versponnener Theologen, die dasitzen und keine andere Arbeit haben, und nun überlegen, was könnte eigentlich in den Offenbarungsquellen noch alles enthalten sein, was könnte man da noch alles herauskristallisieren und den Menschen als Glaubenslast aufbürden. So ist das nicht. Sie können in die Geschichte der Dogmen schauen, wie Sie wollen: jedes formulierte Dogma ist feierlich verkündet worden in einer Zeit, in der es Antwort war auf einen Irrweg des Menschen, des Geistes, der Geschichte, auf dem der Mensch vor dem Abgrund stand. Es war immer Botschaft in eine Stunde, in der die alte Laokoonschlange von neuem sich um den Menschen schlang und ihn zu erdrücken, zerquetschen drohte, gerade in dem, was er als heiligste Botschaft vernommen hatte und ersehnte. So ist diese mariologische Wahr– heit von der Unbef1eckten Empfängnis nicht nur ein neues Juwel in der Krone der ewigen Frau, es ist mehr, es ist Botschaft in diese Lage des Menschen hinein. Und das ist die erste Botschaft: da steht ein Mensch; von Gott dem Herrn ward er angesprochen vom ersten Moment seiner Existenz; und Gott hat ihm eine Größe und Würde und Weihe verliehen, die alle menschlichen Grenzen sprengt. Das aber heißt für uns, für den Menschen überhaupt: Über allen Ordnungen, die gelten und über dem Es, das in gewissem Sinn auch gilt, steht die Freiheit des Menschen, und die Tatsache, dass Gott uns mit Namen gerufen hat. Was an Maria geschah, ist nur eine unerhört gesteigerte Erfüllung dessen, was an uns allen geschieht, dass Gott uns beim Namen nennt und ein persönliches Schicksal für uns alle hat; dass von den allerersten Anfangen unserer Existenz an der Mensch mehr ist als ein Stellenwert in allen Ordnungen, dass von allem Anfang an der Mensch in einem Dialog steht zwischen ihm und seinem Gott, und dass niemand da hineinreden darf oder gar das Wort Ich auslöschen dürfte. Und wo immer das Es und das Wir und die Geschichte das Ich antasten, da tasten sie nicht nur den Menschen an, da tastet man den Herrgott selber an und damit sich selber... Die zweite Botschaft: T ota pulchra es. Da steht ein Mensch, von dem es heißt, ganz schön bist du, gelungen, begnadet. Wie notwendig tut uns dieses Wissen um diesen einen gelungenen Menschen, der sicher dastand. Wir müssen sonst am Menschen verzweifeln, nicht nur um der eigenen Gebrechlichkeit willen, nicht nur um des eigenen Widerstandes willen gegen alles Saubere, Hohe und Edle, das wir verspüren und das wir in uns mit Gewalt und Macht, mit Geduld und Zittern und Zagen durchsetzen müssen, sondern auch um der Dämonie willen, die wir von allen Seiten spüren und erfahren. Es ist keine alte Mär, wenn gesagt wird, dass am Anfang der Mensch in den Raum gottverbundener Arbeit gerufen ward und der Mensch zum ersten Mal die Sterne vom Himmel riss und sich empörte, und seither die Dämonie durch die Wdt geistert und immer wieder geistern wird. Aber tota pulchra es. Auch die Dämonie ist gebrochen. Da steht der Mensch, die Frau, die den Fuß auf die Schlange setzt. Der Augenblick für uns selber? Was da geschah,

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