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MEINOLF MÜCKSHOFF (1908-1991) 723 Madonna steht auf einer im Postament angedeuteten Weltkugel, hat den Mond zu ihren Füßen und zertritt mit ihrem Fuß den satanischen Drachen. Die Quelle aber dieser bezwingenden Schönheit und Macht heißt - das Bild sagt es deutlich - Mütterlichkeit: Maria trägt auf ihrem Arm den, der von sich sagte: Ich bin das Leben, sie trägt den Welterbauer, der seine Schöpfung mit leibeigener Hand segnen und heimholen wird. Und doch bleibt diese Frau eine Menschenfrau, deren Eltern nach der Tradition Joachim und Anna heißen. Der Künstler stellt sie neben den Altar und doch ins Ganze aufgenommen. (...) Auf die Chorwände setzten sie wie mit der Wand verbunden, um den Blick auf den Hochaltar mit seiner mariologischen Aussage nicht zu stören, die Figuren zweier Heiligen: über der Tür zur Beichtkapelle den hL Johannes Nepomuk und über der Tür zur Sakristei den hl. Antonius von Padua mit dem Jesuskind. Die Künstler entfalten ihr ganzes Können, die bereits im Gnadenbild angedeutete Idee von einer kosmischen Stellung Mariens in den Welt– und Heilsplänen Gottes als Mutter des Lebens in allen Farben, Linien und Figuren bis hinein in die kleinste und zarteste der Verzierungen, die sich wie ein Hauch des Ewigen über den ganzen Innenraum ziehen, leuchten zu lassen (23). Es ist, als hätten die Bilder der barocken Kirche, die als „Perle des Tales" gerühmt wird, auf P. Meinolf als Interpreten gewartet, denn kaum einer wusste vorher den tiefsinnigen Zusammenhang des Bildprogramms zu deuten. Die Freskogemälde an der Decke, die von JosefWannenmacher (1722-80) stammen, zeigen die Rolle Marias in der Heilsgeschichte. Um das Hauptfresko sind vier Medaillons angeordnet mit folgenden Inschriften auf Latein: 1) inimicitias ponam (Gen 3,15), 2) non laeditur una, 3) expers nauftagii, 4) Visio Magna. Mit dieser Vision des Moses vom brennenden und doch nicht verbrennenden Dornbusch ist nichts anderes gemeint als die Unversehrtheit Marias, die Gott sich als Braut und Mutter erkor, welche den Erlöser gebären sollte 83 • Zu einer solchen schon vom Künstler intendierten marianischen Deutung schreibt P. Meinolf: Wannenmacher nimmt für eine solche Deutung die Zeugenschaft der zeitgenös– sischen Theologie in Anspruch. Er war damit keineswegs falsch beraten. Denn die Mehrschichtigkeit der biblischen Texte ist die Überzeugung der gesamten christ– lichen Tradition. Mit diesem Gedanken von der Mehrschichtigkeit der biblischen Texte und Bilder verbindet sich eine weitere theologische Feststellung, die noch we– niger bezweifelt werden dürfte, nämlich die christologische Relevanz der biblischen Texte oder ihre Gravitation auf die Person Christi. Diese Christushaftigkeit des 83 Als Beispiel, wie die Exegese heute den Text auslegt, ganz ohne Hinweis aufMaria, vgl. Y. Lapide, Die Berufung des Mose am brennenden Dornbusch, in Freiburger Rundbrief Zeit– schriftfor christlich-jüdische Begegnung 16 (2009) 9-21.
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