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718 LEONHARD LEHMANN weise auf die einschlägige internationale Literatur fehlen nicht. Ein hochwissen– schaftliches Werk also, das zugleich von erstaunlichem Fleiß zeugt. P. Meinolf findet Spuren eines absoluten christologischen Prädestinationsge– dankens in der nachapostolischen Zeit. Sie „verdeutlichen sich in den theologi– schen Überlegungen der vornizänischen Väter: Justin (t 163/7), Theophil von Antiochien (fl. 180), Athenagoras (fl. 177), Tertullian (fl. 197-222), Cyprian (t 258), Hippolyt (t 235) und Clemens von Alexandrien (t 211/16). Aus ihrer Offenbarungslehre wie aus ihrer Logosspekulation ergibt sich diese absolute Vor– herbestimmung Christi zur Menschwerdung" (293). Bei der Heerschau über die Zeugen dieser Lehre in den folgenden Jahrhunderten kann er mit dem überra– schenden Ergebnis aufwarten, dass bis zum Auftreten der Dominikanerschule gegen Mitte des 13. Jahrhunderts sowohl der Orient wie der Okzident einmütig für diese Lehre Zeugnis geben. Selbstverständlich sagen alle Zeugen, der Gott– mensch sei zur Erlösung prädestiniert und gesandt, aber keiner redet so, dass man annehmen müsste, er wolle die absolute Prädestination, die er mit Schweigen übergeht, ablehnen. Hier darf man den Verfasser kritisch fragen, ob es erlaubt ist, aus dem Schweigen eine Behauptung zu machen. Jedenfalls zeigt er auch von den anderen Zeugen, auf die sich die Thomisten berufen, dass sie neben der stark betonten Erlöserbestimmung Christi auch eine primäre, universale und absolute Prädestination Christi explizit aussprechen oder doch andeuten, so Irenäus, Atha– nasius, Cyrill von Alexandrien, Cyrill von Jerusalem, Gregor von Nyssa, Maximus der Bekenner, Johannes von Damaskus, Adam der Schotte und Hugo von St. Victor. Indem der Verfasser zum Ergebnis kommt, dass die Lehre von der abso– luten Prädestination, wie sie von franziskanischen Autoren, namentlich Duns Scotus herausgearbeitet worden ist, die einmütige Tradition hinter sich hat, stellt er seine Zeitgenossen vor etwas kaum Fassbares, denn noch 1930 hatten der Jesuit A. d'Ales, 1951 der Dominikaner H. Bouesse und sein Ordensbruder F. Lemoine festgestellt, die absolute Prädestination hätte in der Tradition nicht die geringste Stütze (vgl. 291 Anm. 6). Mückshoff schließt den ersten Teil seiner Untersu– chung mit den Worten: So hat die Franziskanerschule an der Wende des 13. zum 14. Jahrhundert ihr vielleicht schwerstes, sicher aber ihr strittigstes Problem gelöst: die praedestinatio Christi absoluta. In ihr sieht sie den geoffenbarten Weltenplan in seiner inneren Einheit am besten gewahrt und die Stellung Christi in ihm in ihrer Erhabenheit gesichert. Denn die absolute Prädestination Christi, wie Scotus und Ramon Lull sie lehren, schließt keineswegs die Erlösung aus, sondern begründet sie vielmehr logi-
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