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434 JOHANNES SCHNEIDER Der mittelhochdeutsche Traktat hat möglicherweise eine lateinische Vorlage, die ihren Ursprung in Italien hat 44 • Doch wäre es rein hypothetisch, zwischen diesem Text und jenem Marianos eine Verbindung zu sehen. Mariano geht nicht so weit, in Klara eine Reinigung von aller Erbschuld zu sehen. Er bringt für eine Heiligung Klaras im Mutterschoß vier Beispiele biblischer Personen, die im Mutterschoß geheiligt wurden: Simson (Ri 13, 3-5), Jeremia Oer 1, 5), Johannes der Täufer (Lk 1, 13-15) und die Jungfrau Maria. Für diese kann er aber keinen biblischen Text anführen, sondern greift zur apokryphen Überlieferung. Alle diese Personen „sind vor ihrer Geburt ihren Eltern angekündigt und schon im Mutterleib geheiligt worden". Die Ankündigung der Geburt und Heiligung im Mutterleib sieht Mariano als Einheit. ,,Allerdings", betont Mariano in einem Nebensatz, ,,ist die glorreiche Mutter– gottes auf andere Weise vor der Sünde bewahrt worden". Damit lässt Mariano einen Hauptbegriff der franziskanischen Mariologie anklingen: per altro modo fussi dalpeccato preservata. An Stelle von Erlösung von Sünde, die schon einmal da war, wenn auch nur kurz, führt Johannes D. Scotus (t 1308) den Begriff der „Be– wahrung vor der Ursprungssünde" ein: Christus wäre nicht vollkommener Mittler, ,,hätte er nicht verdient, seine Mutter vor der Ursprungssünde zu bewahren" (nisi meruisset eam praeservare a peccato originali) 45 • Die Erlösung als Bewahrung vor Sünde verstanden, gehört zum Kern der opinio minorum in der Frage der Immaculata Conceptio. Mariano, der diese Lehrmeinung sicher im Blut mitbekommen hatte, geht jedoch in keiner Weise weiter darauf ein, sondern gibt nur einen Wink bezüglich der Andersartigkeit der Erlösung Marias (per altro modo ). Für sein Programm der Gegenüberstellung Maria-Klara spielt die skotisch– minoritische Lehrmeinung offenbar keine Rolle. In diesem Nebensatz findet sich die einzige Anspielung auf die franziskanische Mariologie, beinahe überhaupt die einzige mariologische Aussage im eigentlichen Sinn. Die anderen Bezugnahmen zu Maria haben devotional-narrativen Charakter, dem die apokryphen Legenden bzw. deren Rezeption durch Jacobus von Voragine entgegenkommen. Allerdings 44 Klammer/ Schneider,Aus dem Klara-Traktat, 93. 45 Text bei B. Hechich, J testi sull1mmacolata Concezione nella stesura personale de! B. Giovanni Duns Scoto [ Ordinatio III, d. 3, q. l; Lectura III, d. 3, q. 1], in La „Scuola Francescana" e l1mmacolata Concezione. Atti de! Congresso Mariologico Francescano S. Maria degli Angeli - Assisi 4-8 dicembre 2003, a cura di S.M. Cecchin (Pontificia Academia Mariana Internationalis. Scudi Mariologici, 10), Citta del Vaticano 2005, 797-866, hier 844, Nr. 18 u. 809, Nr. 17.

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