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734 LEONHARD LEHMANN 2. Predigt P. Meinolfs zum Scotus--jubildum 1965 in Koln Colonia Sancta, heiliges Koln! Das Wort aus der groísen katholischen Tradition dieser Rheinmetropole geboren, steht zu Recht und pragt das Gesicht dieser Stadt. Mag die machtvoll pulsierende Stadt wachsen und wachsen und ihre auíseren Züge verandern und immer wieder verandern; sie wird ihr inneres Gesicht behalten, weil sie die groísen Manner nicht vergessen kann, die sie als sterbliche Überreste in ihren Mauern birgt und deren Geist sie in tiefster Sede tragt. Diese Manner schrieben den Namen dieser Stadt in die Annalen der Weltgeschichte. Nein, Koln wird diese Manner nicht vergessen konnen, denen sie die innere geistige Groíse verdankt. Drüben in St. Andreas liegt St. Albert, den man den Groísen nennt und dem das Mittelalter den Ehrentitel eines Doctor universalis gab, der Universalgelehrte; und hier in der Minoritenkirche, wo seit den Tagen des Hohen Mittelalters die Sohne des hl. Franziskus wirkten, hat der scharfste Geist des Mittelalters seine Ruhestatte gefunden, Duns Scotus mit dem Ehrentitel Doctor subtilis, der feinsin– nige Gelehrte, und in der gleichen Kirche der Gestalter des modernen Katholizismus: Adolf Kolping. Das heilige Koln gedenkt dieser zwei Manner, die hier ihre letzte Ruhe– statte gefunden haben; es gedenkt des feinsinnigen Franziskussohnes 700. Geburtstages und des unvergesslichen Gesellenvaters AdolfKolping, der vor 100 Jahren starb. Ein Fest wirft seine Schatten voraus, Immaculata, das von heuer an für alle Jahrhun– derte mit dem groísten Ereignis unseres Jahrhunderts verbunden bleibt, das II. Vatika– nische Konzil, das seine dreijahrige gigantische Geistesarbeit beendet. Dieses Fest ist wie– derum unaufloslich mit dem Namen des groísen Franziskussohnes verbunden, dessen 700. Geburtstag wir heute festlich begehen, Duns Scotus, den die Geschichte der Theologie mit dem Tite! gekront hat: Doctor Immaculatae Conceptionis, der Theologe und der uner– schrockene Verteidiger der Wahrheit von der Unbefleckten Empfangnis Mariens, der Mutter unseres Herrn. Seit den Urtagen des Christentums verehrte das christliche Volk die Mutter seines Herrn als die ganz reine, als die Heilige. Und heilig ist Gott. Und heilig ist der Mensch, der auf Seiten Gottes steht; heilig ist der Mensch der Gnade, der Nahe Gotees; und ihr schrieb die urchristliche T radition auf die Blatter der gottlichen Schriften: gracia plena, die Gnadenvolle, der Mensch ganz in der Nahe Gottes, so wie niemand je gestanden hat, noch stehen wird. Und was heiíst Fülle der Gnade Gottes anders als nie aus der Gemein– schaft mit Gott herausgefallen sein, also Immaculata, nie im Schatten der Schuld. Freilich, als die Theologen daran gingen, die T atsachen in feinsauberliche theologische Begriffe zu kleiden, meldeten sie aus falschen Voraussetzungen heraus ihre Zweifel an. Zwei Tatsa– chen schienen ihrem Nein zum Glauben der Tradition Recht zu geben: einmal war Maria eine Tochter Adams; diese Lebenslinie war erbschuldig. Fürs Zweite schien die Univer– salitat der Erlosung auch Maria als Erloste zu fordern. Und hier setzte der scharfsinnige Duns Scotus an. Erbschuld ist keine biologische Angelegenheit, sondern eine theologische Tatsache, ein factum theologicum; nicht die biologische Lebenslinie bestimmt die Schuld,

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