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62 SOPHRONIUS CLASEN gegenwärtige und zukünftige, schlicht und mit wenigen Worten eine Lebensform und Regel, zu der er hauptsächlich die Worte des heiligen Evangeliums benützte, dessen Vollkommenheit einzig er sehnlichst erstrebte ». Damit steht aber weder die Einfalt der Brüder, die den Aussendungsbefehl Christi an die Apostel nicht zu finden wußten (Leg3soc) - hier wird keineswegs das Nicht-Lesen-Können des Heili– gen und seiner Gefährten betont, sondern ihre Unerfahrenheit im Umgang mit der Heiligen Schrift -, noch das Zeugnis des Jordan in Widerspruch, daß Franziskus nach seiner Rückkehr aus dem Orient seine Regel neu faßte und sie durch Cäsar von Speyer mit Schrift– worten ausstatten ließ. Auch die letzte Behauptung der Leg3soc über die Abfassung mehrerer Ordensregeln läßt sich historisch als richtig erweisen. Wir unterscheiden gewöhnlich die ursprüngliche Regel von 1209/10, die nicht bestätigte Regel von 1221 38 und die endgültige Regel von 1223 39 ; ist aber diese Aufzählung vollständig und ist sie auch richtig? Zu– nächst steht 1) fest, daß man die ursprüngliche Regel nach den Be– dürfnissen der jungen Gemeinschaft durch Zusätze, die zuweilen später wieder getilgt wurden, erweitert hat 10 ; diese Veränderungen drängten mit der Zeit zu einer Neufassung, wie dies im Gleichnis von den Brosamen angedeutet wird 41 • 2) Gewöhnlich setzt man ohne jeden Grund die nicht bestätigte Regel mit jener von 1221 gleich, die Cäsar von Speyer mit Schriftzitaten ausgestattet hat, obschon sich weder im Zeugnis Jordans noch in der Regel selbst dafür ein Anhaltspunkt findet. 3) Auch wenn man die Bemerkung Bonaventuras und des SpecPerf42, Franziskus habe dem Bruder Elias eine Regelfassung anvertraut, doch der habe sie verloren, als typologische Parallelität mit Moses und dessen zerstörten Gesetzestafeln verseht 43 , sind doch die Aussagen der Quellen über die verschiedenen Regelfassungen so wenig klar, daß es oft schwer, zuweilen aber unmöglich ist, sie mit einem bestimmten Regeltext zu identifizieren. Völlig willkürlich hat jedoch van Ortroy dadurch einen Ana– chronismus der Leg3soc konstruiert (124, 187), daß er dem Bericht von der Gehorsamsleistung vor Innozenz III. den Text der endgültigen ss H. BoEHMER, Analekten zur Geschichte des Franciscus von Assisi, Tübingen und Leipzig 1904, 1-26. 39 A.a.O., 29-35. 40 H. BoEHMER, Chronica fratris Jordani, n.12 : llf; K. EszER, Zur Textgeschichte der· Regula non bullata des hl. Franziskus, in Franz.Stud. 33(1951) 219-237. 41 2 Cel 209; LegMai, IV, 11. 42 LegMai, IV, 11; P. SABATIER, SpecPerf, c.1 : 1. 43 S. CLASEN, Franziskus der neue Moses, in Wiss.Weih. 24(1961) 220-229.

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