BCCCAP00000000000000000000824

8 KAJETAN ESZER eine bewußte Änderung des nicht leicht verständlichen Titels handeln. Man wird also zunächst untersuchen müssen, was commercium hier besagen will. Dazu ist zunächst die wichtige Feststellung zu machen, daß sich das Wort in den authentischen Schriften des hl. Franziskus selbst nicht findet. Allerdings ist bei 2 Celano 70 ein Wort des Heiligen überliefert, das einen ersten Aufschluß gibt : « Commercium est inter mundum et fratres ; debent ipsi mundo bo– num exemplum, debet mundus eis provisionem necessitatum. Quando retraxerint bonum exemplum fide mentita, retrahit mundus manum iusta censura »2 1 • Hier ist das Wort ganz klar im Sinne der Kaufmannssprache ge– braucht und bezeichnet den Vertrag zwischen zwei Partnern 2 8, der auf einer gegenseitigen Verpflichtung aufgebaut und mit beiderseitiger Treue (fides) zu halten ist. Erfüllt der eine Partner seine Verpflichtung nicht, ist auch der andere rechtlich (iusta censura) nicht mehr ge– bunden. Wenn dieser Vertrag, der die Bettelarmut der Minderbrüder stützen soll, an diese auch hohe religiöse Forderungen stellt, so läßt sich doch nicht leugnen, daß Franziskus hier für sich und seine Brüder ein Recht statuiert, das ihnen eine gewisse Sicherung ihres Lebensunterhaltes gibt 29 , wenn man auch billigerweise zugeben muß, daß diese Sicherung rein christlich fundiert ist. 2 7 Dieses Logion findet sich auch in der vor 1282 von einem Benediktiner verfaßten Legenda Monacensis S. Francisci, aber mit folgenden Änderungen: « ... debent ipsi mundo– doctrinam salutis et bonum exemplum, mundus vero debet eis provisionem necessitatum, iuxta illud apostoli ad Romanos: Debitores sunt eorwn. Nam si spiritualiwn eorum participes .facti sunt, debent et in carnalibus ministrare illis. Et iterum Corinthiis: Dominus ordinavit eis, qui Evangelium annuntiant, de Evangelio vivere » (n.26 : Anal.Franc. X, 702f). Hier liegt sicher eine selbstständige Tradition dieses Logions vor, da der Verfasser der Legende wohl kaum Worte aus 2 Celano 74, 71, 70 und 158 hintereinander exzerpiert hätte. Auch den Schluß des Logions dürfte der Verfasser wohl vorgefunden haben. Wie sollte denn, zumal nach den Wirren des Mendikantenstreites, ein Benediktiner auf den Gedanken kommen, die minoritische Bettelarmut zu verteidigen - Ein ähnliches Wort findet sich bei BERNHARD VON BESSA, Liber· de Laudibus beati Francisci: « Dicebat frequenter: Quantum fratres declinabunt a pauperta-· te, tantum mundus declinabit ab eis. Ipsi mundo exemplum et mundus eis necessarium debet victum. Si fratres, inquit, subtraxerint bonum exemplum, et mundus subtrahet eis subsidium; quaerent et non invenient » (Kap. IV : Anal.Franc. III, 675). Wenn auch das Wort com– mercium nicht gebraucht wird, ist doch die Sache im gleichen Sinne umschrieben. zs Vgl. Thesaurus linguae latinae III, eo!. 1871ff. 29 Solche Gedankengänge waren dem hl. Franziskus nicht fremd; vgl. Regula non– bullata, 9: « Et eleemosyna est hereditas et iustitia, quae debetur pauperibus, quam adqui-· sivit nobis Dominus noster Jesus Christus 1> ; H. BoEHMBR, Analekten, zur Geschichte des Franciscus von Assisi, Tübingen 1904, 10; vgl. [L. LEMMENS], Opuscula s. p. Francisci Assisien-· sis, Quaracchi 1904, 37. - Diese etwas kaufmännisch-rechtliche Sicht des Almosens mag auch der Grund sein, daß sowohl Bonaventura, wie auch die Specula perfectionis, wenn auch jeweils aus anderen Gründen, dieses Logion nicht bringen. - Vgl. neuestens noch F. DE BEER, O.F.M., La conversion de saint Franr;ois selon Thomas de Celano. Etude comparative des– textes re!atifs a Ja conversion en Vita I et Vita II, Paris 1963, 245.

RkJQdWJsaXNoZXIy NDA3MTIz