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26 KAJETAN ESZER Und selbst die Reden, besonders die große Rede der Herrin Ar– mut, sind von derartig bildhaftem Gepräge, daß man sie ohne weiteres, wie etwa bei späteren großen Mysterienspielen, auf einer « Bühne über dem Theater » darstellen könnte. Dadurch erreicht der Verfasser, daß eben im «vordergründigen» Geschehen zwischen der Herrin Armut und den Minderbrüdern die ganze Heilsgeschichte nicht nur sichtbar, sondern einwirksam, somit aber für den Leser oder Beschauer einsichtig wird 89 • Das in sich nicht leicht verständliche Lehrstück von der Bedeutung der Armut im Heilswerk Gottes ( oixovoµlcx, dispensatio) und ihrer Wirkung für den Menschen im « salutare commercium » wird auch für einfache Menschen faßbar 90 • Daß der Verfasser des S.C. diese Aufgabe meisterhaft gelöst hat, wird jeder bestätigen, der sich seinem « Mysterienspiel » betrachtend, schauend hingegeben hat 91 • Hier ist wirklich gelungen, das Werden des Minderbrüderordens in seiner echten heilsgeschichtlichen Bedeutung darzustellen. Der Verfasser hat das, was im Leben des hl. Franziskus und seiner ersten Brüder tatsächlich geschehen ist, in seinem heiligen Spiel wie in einem dichten Vorgang zusammengefaßt und damit das, was ihm in deren Leben das Wichtigste zu sein schien, von einem einzigen Kristallisationspunkt aus dargestellt. Niemand wird leugnen, daß er dabei das Wesentliche durchaus getroffen hat. 5. - Die Ziele des S.C. Zum gefüllteren Verständnis unserer Schrift kann auch noch die Frage nach den Zielstellungen des Verfassers nicht wenig beitragen.. Daß es sich beim S.C. nicht um « einen Siegesgesang in apokalypti– scher Form», aber auch um kein « Regierungsprogramm des neuen Generalministers» Johannes Parenti (so Sabatier) handelt, dürfte nun des Auftretens Gottes im Paradies, die durch die präzis gebrauchten Adjektiva genau festlegt, wie sich die Betreffenden zu verhalten haben (27). Gerade hier fragt man sich, warum diese Dramatisierung, wenn nicht zur bildhaften Darstellung! - Gleiches gilt für den Bericht. über das abschließende Mahl der Brüder mit der Herrin Armut (59-63); wenn jeder Beteiligte· den Bericht gelesen hat, kann das Spiel beginnen, weil jeder genau weiß, was er zu tun. und zu sagen hat! 88 Das S.C. steht auch hier in einer unmittelbaren Nähe zu Franziskus, der es ja. liebte, die Heilsgeschichte bildhaft darzustellen, zu " spielen »; vgl. BoEHMER, Analekten„ S.XLIX-LII; A. v. CORSTANJE, Franciscus de Christusspeler, in Sint Franciscus 2(1956) 7-24. 90 Vgl. WIJSEN, Het middeleeuwse mysteriespel, 277ff. ,n Von hier aus wird ohne weiteres klar, daß das S.C. nicht, wie Sessevalle (Histoire generale, 110) meint oder stillschweigend voraussetzt, eine " Darstellung des Lebens nach. dem franziskanischen Ideal» ist; darum handelt es weder von der Handarbeit, noch vom "Apostolat, dem wesentlichen Ziel des Ordens», noch von anderen praktische Fragen. Sesse– vales seltsam berührende Argumentation über das S.C. dürfte von falschen und deshalb· enttäuschten Erwartungen verursacht sein. Seine Ausführungen sind, wie auch die von Saba-· tier, das Ergebnis einer Interpretation, die nicht vom gegebenen Text ausgeht und darum. mehr erwartet, als in ihm vorhanden ist.

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