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18 KAJETAN ESZER Nun ist es genugsam bekannt, wie sehr Franziskus vom Ideal des zeitgenössischen Rittertums fasziniert war und wie nachhaltig ihn die Lieder der Trobadours beeindruckten 61 • Wenn er also die Tugen– den, und unter ihnen vor allem die Armut, als «dominae» bezeichnete, sah er sie in Verbindung zu Christus, dem König 62 • In diesem Sinne gewinnt sein Wort: « pro mea domina paupertatem elegi » (2 Celano 84) seine volle Bedeutung; diese wird bei 2 Celano 200 noch unterstri– chen, wenn Franziskus die Armut eine königliche Tugend nennt, « quae in Rege et Regina tarn praestanter effulsit ». Er selbst lebt also noch ganz in der ritterlichen Gedankenwelt der Hohen Minne 63 • Darum taucht auch die Vorstellung einer« Braut Armut», der er sich « vermählen » wolle, bei ihm selbst nirgendwo auf. Anders ist es bei den späteren Schreibern, die eben für die Men– schen ihrer Zeit das Verhältnis des hl. Franziskus zur Armut ganz nach der Auffassung dieser ihrer Zeit interpretieren und deshalb von einem bräutlichen Verhältnis reden. Während aber bei 2 Celano und beim hl. Bonaventura dabei immer noch die Verbindung zu Christus klar gesehen wird, verliert sich diese Sicht bei den späteren Gene– rationen mehr und mehr. Bei ihnen vermählt sich Franziskus mit der Armut um ihrer selbst willen. Arm-sein ist Seligkeit in sich 64 • Wie steht nun das S.C. in dieser Entwicklung? Zunächst fällt so– fort auf, daß in ihm Franziskus und seine Brüder die Armut mit Vorzug « domina » und « domina nostra » nennen 65 , an einer Stelle 6 1 Vgl. J. v. GöRRES, Der hl. Franziskus von Assisi. Ein Troubadour, Straßburg 1826 (wenn auch kritisch zu lesen!); BoEHMER, Analekten; L. BALTHASAR, Geschichte des Armutsstrei– tes, 4f; FELDER, Der Christusritter, 62ff; ESZER, Mysterium paupertatis, 185f. 62 Erst diese Tatsache gibt seinen Laudes de virtutibus (Analekten, 64f; vgl. Opuscula, 20f) ihren eigentlich christlichen Charakter; anderenfalls würde es sich um eine mehr ethische Anweisung handeln. 63 S. VERHEY, O.F.M., Der Mensch unter der Herrschaft Gottes. Versuch einer Theologie des Menschen nach dem hl. Franziskus von Assisi, Düsseldorf 1960, 107f, will diesen Vor– gang « nicht bloß als eine Art spielerischer Personifikation im höfischen Stil auffassen »; ebenso spricht Oktavian v. Rieden davon, daß diese Gegebenheiten nicht so sehr « im Lichte ritterlichen Verhaltens als vielmehr dem der mystischen Lehre zu deuten seien » (De quibusdam commentariis, 453). Wir wollen gerne zugeben, daß bei Franziskus hier weitergreifende Ansichten wirksam sind, vielleicht auch ineinanderfließen, aber es läßt sich nicht leugnen, daß das Ritterideal auch seine religiösen Verhaltensweisen stark geformt hat; vgl. in diesem Sinne: MITTERRUTZNER, Franziskus und die Armut, 111-113. 64 Dazu vergleiche man etwa das Loblied auf die Armut, das Jacopone da Todi gedichtet, oder die viel zitierten Strophen bei Dante, die E.A., S.IIIf und 45ff, sowie THODE, Franz von Assisi, 514ff und 508 abgedruckt haben. Dann v,rird der hier skizzierte Bedeutungswandel ganz klar. Daß sich ein ähnlicher Wandel auch in der bildenden Kunst vollzieht, wird aus dem entsprechenden Kapitel bei Thode (a.a.O., 504-532) zur Genüge klar; vgl. auch KLEIN– SCHMIDT, St. Franziskus von Assisi, 16-21. 6 5 N.9, 12, 14, 15, 16, 22, 23, 56, 57, 58 und 62. - Auch sonst verrät sich die ritterliche Denkart beim Verfasser des S.C.; so wenn er die Apostel des Herrn « fortissimi milites » nennt (32) und von ihm als dem « dux » spricht (54).

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