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Natürlich beruht die Falschheit des Parlamentarismus und Konsti– tutionalismus nicht auf böser Absicht; sondern diese Systeme sind aus ihrer Natur heraus zum Scheitern verdammt, denn sie ver– wecheln die politische Souveränität mit der Souveränität der Ge– sellschaft, die aus der Familie entspringt und sich über die Städte bis zur Landschaft fortpflanzt; zwingt man aber beide Souveräni– täten in eine einzige Verfassung und in die Hand eines einzigen Trägers der Gewalt, dann kommt man zur einheitsstaatlichen Gleichschaltung der gesamten Politik 8 3 • Korruption und Verfehlung der Standesziele sind d~e natürliche Folge davon. Der Liberalismus hat die politische Souveränität verfälscht, indem er dem Staat Befugnis·se einräumte, die ihm nicht zustehen, und das Individuum aus seinen natürlichen Bindungen herausriß. Er hat aber auch die Souveränität der Gesellschaft verfälscht, indem er die Zwischenebenen abschaffte, auf denen die Verbandsbedürf– nisse zur Geltung und zur Befriedigung kommen. Er hat die Pyra– mide der Gesellschaft auf den Kopf gestellt: die freie Einrichtung der Gemeindeverwaltung, in der die Sippen in relativer Unab– hängigkeit ihre eigenen Interessen zu verwalten haben, ist zu einer Filiale der Staatsverwaltung geworden 84 • Der Bürgermeister, der dem Staate gegenüber die Interessen seines Bezirks vertreten müßte, ist zu einem Interessenvertreter des Staates geworden, uncl eine der großen Inkonsequenzen des Parlamentarismus besteht darin, daß er „über vielen verknechteten Gemeinden ein freies Parlament errichten" und „politische Freiheit durch administrative Knechtung erreichen will". Freilich konnte nur so der Liberalismus eine Mehrheit erhalten, die nicht daran dachte, die Meinung der Nation zu vertreten. Erst wenn die liberalen Regierungen zurücktreten, kann das Pro– blem der Verwaltung gelöst werden 86 • Denn die liberal,e Verwal– tungsreform war nur scheinbar harmlos; in Wirklichkeit brachte sie die Politisierung der Verwaltung, und zwar zum Nachteil aller Stufen der Gesellschaft, zu deren Wohl allein politische Formen erdacht werden müss·en. Der ökonomische Optimismus des Liberalismus ist die Ursache von drei großen Fehlleistung-en gewesen. Erstens hat man durch die Enteignung des kirchlichen und kommunalen Eigentums die Wirt– schaft zu einer Domäne der zentralistischen V,erwaltung gemacht. Dadurch hat man zweitens die Wirtschaft den Schwankungen der Politik unterworfen. Drittens hat man dem Sozialismus Tür und aa ibd. XII, S. 102. 84 ibd. VIII, S. 286. 85 ibd. VIII, S. 144. 83
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