BCCCAP00000000000000000000794
Der f alsehe Optimismus der Liberalen Dieser naive Optimismus fand eine dreifache Anwendung: s•ozio– logisch in der Idee eines notwendigen Fortschrittes der Menschheit, ökonomisch im hemmungslosen Wettbewerb des wirtschaftlichen Individualismus und politisch in der Lehre von der Volkssouverä– nität, ,,deren Apostel paradoXJerweise ein unruhiger, finsterer, krankhafier Geist war, dessen Leben in Verzweiflung endete: Rousseau" 69 • Der wirtschaftliche Optimismus, der das genossen– schaftliche Eigentum zugunsten der freien Konkurrenz von Indi– viduen zerschlug, endete bei einer neuen Kollektivierung der Gü– ter in den Händen einer Minderheit, auf die als Reaktion die Bil– dung radikaler Parteien folgte. Die französische Revolution proklamierte zwei große Autonomien: die der Person auf religiösem und die des Staates auf politischem, religiösem und wirtschaftlich.em Gebiet; die Zwischeninstanzen wurden ausgeschaltet 70 • Aber in der Praxis wurden diese beiden Autonomien zu einer einzigen: der „Allmacht des absoluten Staa– tes'' 71. Für den Liberalismus, sagt Mella ein wenig scholastisch, ist das Individuum nichts als ein universaler Reflex 72 , und das Gerede vom Willen der Nation ist nichts anderes als eine große Lüge. Aus dem Hirngespinst des autonomen, aus allen sozialen und meta– physischen Bindungen herausgdösten Individuums und aus der Wahrheit des allgemeinen Wahlrechts schuf man das Urbild des liberalen Staates, das an der Widersprüchlichkeit seiner Elemente und an der Krankheit der Staatsvergottung leidet 73 • Wenn man nur die Autonomie des Einzelnen und des Staates anerkennt, dann könnien alle ander,en Verbände bloß auf Grund von Konzession, Geheiß oder Duldung existieren - eine Theorie, deren Herkunft höchst zweideutig ist 74 • Die Lehre von der Autonomie des Einzelnen vergißt, daß hinter ihm „ein Stammbaum von Vorfahren steht, der bis zum ersten Menschen hinabreicht"; so drückt es Mella mit leichtem Anklang an den französischen Traditionali'Smus aus 75 • Dazu kommt der Ein– fluß der Umwelt, die uns durch ihre Weltanschauung, Mentalität, 69 ibd. XIII, S. 173 f. 70 ibd. XI, S. 40. 71 ibd. X, S. 42, VIII, S. 161. 72 ibd. VIII, S. 149, XI, S. 342. 73 ibd. V, S. 167. 74 ibd. VIII, S. 161. 7 s ibd. VIII, S. 147. 6 Fernandez, Staats- und Gesellschaftslehre 81
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDA3MTIz