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Die moderne Industriegesellschaft macht den Regionalismus keines– wegs überflüssig. Im Gegenteil, in ihr hat sich eine solche Fülle in den einzelnen Landschaften völlig andersgearteter Beziehungen und neuer Probleme gebildet, daß ihr eine Zentralinstanz über– haupt nicht oder erst nach der Schaffung eines riesigen Verord– nungs- und Verwaltungsapparates gerecht werden kann 20 • Gegen– über dieser unorganischen Lösung, die jed,e Initiative von unten erdrückt, weist Mella auf die Notwendigkeit einer Dezentrali– sierung hin; jede Landschaft weiß über ihre eigenen Probleme am besten Bescheid, und niemand hat ein größeres Interesse daran als sie, mit ihnen fertig zu werden 21 • Vielleicht ist Mellas Überzeugung, in Spanien werde es nicht zum Separatismus kommen, ein wenig naiv. Die relative Schwäche der Landschaften habe zur Folge, daß sie sich gegen äuß.ere Gefähr– dung zusammenschlössen. Ganivet kommt zu ganz ähnlichen Schluß– folgerungen 22 • Diese Schwäche, meint Mella, ändert aber nichts an der Wahrheit der These, daß die Landschaften ihre inneren Verwaltungs- und Rechtsprobleme möglichst selbst lösen müssen; und die juristische Garantie dieser ihrer Wirksamkeit sind die verbrieften landschaftlichen Sonderrechte [fueros]. · Der Geist der Nation ist der Geist de.r Landschaften in ihrer Ge– samtheit. ,,Wenn diese sich in der gemeinsamen Körperschaft des Staates zusammenschließen, werden sie auch einmütig das Vor– handensein einer höheren Einheit aus gemeinsamer Überlieferung anerkennen und damit die Bedingung der Möglichkeit einer über– geordneten Macht, welche ohne diese ein willkürliches und unbe– ständiges Machwerk wäre" 23 • Die landschaftliche Vielfalt ist nicht die Aufhebung, sondern die Bedingung nationaler Einheit. Die 20 ibd. V, S. 336 ff. 2 1 ibd. V, S. 340 f. 22 Zum gleichen Schluß kommt Ganivet, vgl. dessen 0. C., Madrid 1943, Bd. I S. 131 ff. Mella selbst fragt sich nicht, warum Portugal tro~ der Gefahr einer Fremdherrschaft auf seiner Unabhängigkeit bestand. Die Theorie des Föderalis– mus hat in Spanien zwei einander entgegengese~te Interpretationen gefunden, die krausistische Pf y Margalls und die traditionalistische Mellas. Pfs Föderalis– mus geht von der psychologischen Gegebenheit des regionalen Unabhängigkeits– gefühls aus, gleichzeitig von der des Wunsches nach nationaler Einheit. Um beide Gefühle miteinander zu verbinden, kam er zu seiner Theorie vom synal– lagmatischen Vertrag. Außerdem läßt er zwei unabhängige Kräfte zu, die zen– tralen und lokalen Gewalten bei Unterordnung unter die Verfassung. Vgl. Espasa, "Federalismo", Enciclopedfa a. a. 0. Bd. XXIII, S. 51.5. Mellas Föde– ralismus schließt jeden Vertrag aus, weil er eine natürliche Form gemeinsamen Existierens annimmt, die sich aus traditionellen und geographischen Bedingungen ergab. 23 Mella 0. C. V, S. 306. 72

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