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Viertes Kapitel Der traditionalistische „ Theologe" juan Donoso Cortes Donosos ursprüngliche Konzeption wurzelt in der Erkenntnis des fundamentalen Unterschiedes von Natur und Übernatur und wen– det ihn auf den Bereich des Politischen an 1 • Einen Mittelweg gibt es nicht 2 • Entweder glaubt man an Erlösung und Sündenfall, oder die Welt verliert ihren Sinn. Ohne Zweifel unterschät3t Donoso die Kraft ,der natürlichen Vernunft, aber das gibt ihm die Chance, mit unvergleichlicher Schärfe die Kluft zwischen dem von der Gnade belebten und von Gott geführten Menschen einerseits und dem sich selbst, seiner Schuld und seinem Stolz überlassenen Men- 1 Donosos Denken hat ohne Zweifel eine Entwicklung durchgemacht. Selbst Mella bemerkt das ausdrücklich: .Der Wechsel in seinem öffentlichen Leben, das erst semirationalistisch, dann eklektisch und doktrinär und schließlich glü– hend katholisch war, hat dazu beigetragen, daß sich an ihm die Leidenschaften seiner Zeitgenossen entzündeten, die sein Denken nicht verstanden, wenn sie auch seine geistige Macht und seine Beredsamkeit erkannten." 0. C. XXIV, S. 293. - Als Beweggründe von Donosos Konversion nennt S. Galindro Her– rero das leuchtende Beispiel eines französischen Katholiken und den Tod sei– nes Bruders.•Donoso Cortes en la ultima etapa de su vi.da" . Arbor XXIV (19.53) S. 2. In der vorliegenden Arbeit wird von dieser Frage abgesehen, da sie ihn als Vertreter der Tradition und deshalb erst nach seiner Konversion darzustellen hat. 2 Außer Donoso sagten um die Jahrhundertmitte noch einige andere Geister die herannahenden Katastrophen voraus, darunter Jakob Burckhardt und Kier– kegaard. Metternich warnte vom politischen und Marx vom sozialistischen Standpunkt aus. Burckhardt war Pessimist, vielleicht unter dem Einfluß Schopen– hauers. Jedoch ermöglichte ihm sein religiöser Glaube an die Kontinuität, seine idealistische Grundeinstellung zu bewahren. Ebenso wie er war Kierkegaard gegen Hegel und den deutschen Idealismus einer der wichtigsten Repräsentanten der Zeit. "Was Kierkegaard verurteilt", sagt C. Fabro, .ist nicht das Streben nach einer neuen sozialen Gerechtigkeit, sondern die Verfälschung der gei– stigen Werte durch die neuen Bewegungen." Wie Marx will er die sozialen Verhältnisse gebessert sehen, aber jeder legitime Anspruch muß nach ihm auf der Würde des Geistes und der Anerkennung Gottes basieren. Auch Kierke– gaard bekämpft wie Donoso Proudhon, ohne Marx zu kennen. Vgl. .Kierke– gaard, Precursor del Despertar Cristiano", Arbor XII (1949), S. 114 ff. Ver– wandter mit Donosos Haltung ist die Giemens' von Metternich: beide sind erklärte Gegner des Liberalismus und der revolutionären Kräfte, beide sehen, daß der Sozialismus den Liberalismus erdrücken wird, beide betonen die un– mittelbare Beziehung von Religion und Gesellsdiaft.•Beide", sagt Menczer Bela, "waren überzeugt, daß es zwischen der völligen Ablehnung der Revo– lution und der vollen Bejahung des katholischen Glaubens keinen Mittelweg gibt." Arbor XIII (1949), S. 69. In Frankreich sind es Joseph de Maistre und de Bonald, die in Übereinstimmung mit Donoso die politische Bewegung mit einer theozentrischen Geschichtsauffassung unterbauen. 56
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