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Autorität abschütteln wollten." In Spanien waren die Massen noch nicht von dem neuen Geiste berührt, ja er hatte nicht einmal in einer einzigen Gesellschaftsschicht eine ernst m nehmende Gefolg– schaft zu bilden vermocht 64 • Hier wurzeln alle Widersprüche der spanischen Revolution. ,,Frankreich war darauf vo,rbereitet, Spanien nicht. Die französische Revolution entstammte in der Hauptsache einer philosophischen Schule, die sich antonomastisch ,französische Schule' nannte, und schon der Name beweist, daß ihre Ideen für FranklI'eich nicht neu waren. Die spanische Revolution entstammte der gleichen Schule; sie war nicht auf unserem Boden gewachsen, im Gegenteil, sie hatte ihn gegen sich; und nur die durchgreifen– den Wirren des Unabhängigkeitskrieges haben ihr die Möglichkeit gegeben, bei uns Fuß zu fassen" 65 • Die Gründe ffu ihre schnelle Verbreitung lagen außerhalb ihrer selbst; Unordnung, Krieg.s– müdigkeit, Abwesenheit des Königs - kurzum, ,,daJS Zusammen– spiel so vieler Faktoren schuf einen ausgezeichneten Nährboden für alle möglichen Ideen und Pläne" 66 • Der Sieg des Liberalismus in Spanien war mehr Schein als Wahrheit, und auß·er in gewissen Kreisen hat diese Richtung niemals ihren Sieg behaupten können. Was die liberale Politik bis 1848 betrifft, so schrieb Balmes nach der Niederlage des Karlismus nicht ohne Enttäuschung: ,,Wir haben Frieden, daJS heißt, das Blutvergießen hat ein Ende. Aber den wah– ren Frieden, wo im Schatten der Her.rschaft des Geset,es und unter dem wohltätigen Einfluß einer hohen, klugen und weitsichtigen Politik Unrecht gesühnt, berechtigtes Interesse geschüt,t, Leiden– schaften beschwichtigt und Herzen versöhnt werden - haben wir den?" 67 • Der Friede von 1840 hatte drei Schwächen. Trot, des äußeren Friedens blieb das Volk unruhig. Obwohl die Krone ge– sichert war, war sie sehr schwach, denn eine minderjährige Königin trug sie. Obwohl es eine Verfassung gab, gab es keine gerade poli– tische Linie, denn alle Formulierungen waren derart unpräzise, daß man sie je nach Interesse so oder so auslegen konnte. Der Karlismus wa,r mehr als eine politische Bewegung. Als Ver– fechter einer Regierungsform oder einer Dynastie konnte er über– wunden werden, aber als sittliches und gesellschaftliches Prinzip lebte er weiter. ,,Man kann ihn nicht ausrotten, weil er fest mit dem Lande verwurzelt ist. Seine Verästelungen reichen weit, sein Ge– webe ist stark, man muß dieses Prinzip respektieren und ihm einen 64 ibd. VI, S. 36 f. 65 ibd. VI, S. 39. 66 ibd. VI, S. 37. 67 ibd. VI, S. 19. 50

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