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natürliche Bestandteile ansehen könnte, dann we~den sie zu we-– sentlichen Strukturkräften der Nation" 5 • Die innere Struktur eines Verbandes prägt ihn bis in die let,te Faser; sie ist nichts Ober– flächliches, und man kann sie nicht ändern, ohne daß de 1 r gesamte Verband in Mitleidenschaft gezogen wird. Die sittliche und kultur– elle Ordnung verhält sich zur Ordnung der Gesellschaft „wie Teile zum Ganzen oder wie Elemente eines Körpers zu diesem selbst" 6 • Geschichte und Erfahrung zeigen, .daß Revolutionen und Restau– rationen let,ten Endes nicht politische, sondern in diesem Sinne gesellschaftliche Erscheinungen sind 7 • Selbst politische Formen, seien sie revolutionär oder konservativ, folgen aus soziologischen Bedingungen; dais lehrt nicht nur die schmerzliche Erfahrung der Diskrepanz zwischen politischer und gesellschaftlicher Ordnung in Spanien als Ursache der zeitgenössischen Unruhen, sondern auch das Geprägtsein jeder Regiernngsform durch Geschichte und Seele der Völker 8 • Daß man das vergaß, war dais Elend des neunzehnten Jahrhunderts in Spanien. ,,Es ist das Grundprinzip unserer Lehre, daß ,die politische Macht ein Abbild der gesellschaftlichen Kräfte zu sein hat. Wenn sie Sitte, Bildung und Kraft zusammenschweißen will, muß sri,e sie da suchen, wo es sie gibt: in der Gesellschaft. Denn politische Macht ist keine abstrakte, sondern eine sehr kon– kr,ete Macht: sie steht in engster Wechselwirkung mit der von ihr gelenkten Gesellschaft" 0 • Dieses Grundprinzip gewann Balmes nicht aus poHtischen Speku– lationen, sondern aus der Erfahrung, daß ein politisches System ohne Rückhalt in der Gesellschaft ohnmächtig war. Er verlangte für Spanien „ein System, das sich mehr an der Wirklichkeit als an menschlicher Willkür orientiert" 10 • Dabei set,te er wie Ganivet stillschweigend voraus, daß das Volk immer unversehrt bleiibt und sein eigenes Wesen rein erhält. Aber dessen ist es sich nicht bewußt und braucht einen weisen Herrscher, der es zum Selbstverständnis führt. ,,Spanien fehlt das Wis,sen um die Wahrheit über sich selbst, und dieses Wissen ist heute lebenswichtig. Die Wahrheit ist das innere Leben der Ges.ellschaft. Wenn sie ohnehin gelebt wird, braucht man s,ie nicht erst bewußt zu machen; aber wenn sie nicht gdebt wird, wird das Wissen um sie unentbehrlich. Behandlung set,t eine klare Diagnose voraus" 11 • Spanien ist nicht am Leib, 5 Balmes 0. C. V, S. 495. 6 ibd. S. 496. 7 ibd. VI, S. 61. s ibd. VI, S. 404. 9 ibd. VI, S. 405. 10 ibd. VI, S. 402. 11 ibd. VI, S. 325. 39
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