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wohl die einschneidendsten Veränderungen: ,,Die gesellschaftlichen und genossenschaftlichen Institutionen, in denen sich das Wesen der spanischen Grundbesit,struktur erhalten hatte, verschwanden oder gerieten in eine Entwicklung, bei der ihre charakteristischen Züge verloren gingen" 11 • Spanien kannte von altersher zwei Formen von Grundbesit,: öffentlich.eo oder halböffentlichen [Gemeinde– und Genossenschaftseigentum bei vorwiegend gemeinschaftlicher Nut,ung und Bebauung] 12 und privaten [titulo juddico privado], zu dem Majorate und Fideikommisse sowie der kirchliche Groß– grundbesit, zählten. Sie alle v,erschwanden infolge der Geset,– gebung der Cortes und der Säkularisierung [desamortizaci6n]. Als geistiger Vater dieser Maßnahmen muß Jovellanos gelten; er hat den spanischen Agrarliberalismus begründet. Jovellanos verlor nie den Kopf, sagt Fernandez Almagro. Aber wenn er irgendwo di,e Grenzen des Vernünftigen überschritt, dann war es in seiner Wirtschaftstheorie 13 , die später zum Glaubens– bekenntnis der Nationalversammlung und des Trienniums [1820- 1823] wurde. Im Auftrag des Agrarausschusses verfaßte er sein berühmtes Gutachten zum Landwirtschaftsgeset, 14 • Der jiunge und unerprobte wirtschaftliche Individualismus ruhte auf sehr fragwür– digen philosophischen Vorausset,ungen 15 , die Viiias y Mey kurz zusammenfaßt: ,,Das Recht auf Grundbesit, ist als Naturrecht de– finiert, das entstand, als Gott den Menschen die Herrschaft über die Erde gab. Aber als der Mensch mit Arbeit und Mühe die Erde fruchtbar machte, entstand eine neue, wertvollere und heili– gere Form von Eigentum: das Eigentum aus Arbeit. Die Geset,e müssen sich darauf beschränken, dieses zu schüt,en und die Hinder– nisse, die sich dem freien Spiel der privaten Initiative und der natürlid1en Schaffenskraft in den Weg stellen, zu beseitigen. Das Interesse der Gese!)e deckt sich mit dem des Individuums. Das größte Hindernis wirtschaftlidler Vollkommenheit und geistigen Fortschritts aber liegt in Gese!)en, die diurch Einmischung die freie Ausübung der genannten Tätigkeiten einschränken und den Boden Vgl. Vifias y Mey: La reforma agraria en Espafia en el siglo XIX, Boletfn de la Universidad de Santiago de Compostela Nr. 16 (1932), S. 7 ff. 11 ibd. S. 3. 12 Quifiones, senares, andechas, rozadas, compascuas, derrotas, artigas u. ä. 13 M. Fernandez Almagro: Jovellanos. Antologfa, Madrid 1942 (2. Aufl.) S. 18. 14 Vifias y Mey: La reforma agraria en Espafia a. a. 0. S. 19-23. 15 Die theoretisd1e Ökonomie Jovellanos' war von der Aufklärung beeinflußt, nicht aber (wie bei Cobarrus, Moratfn und Melendez Valdes) seine Politik. Merkwürdigerweise aber machte nur die Ökonomie Schule, während die anti– aufklärerisd1e Ridltung der jovellanischen Politik völlig ignoriert wurde. Vgl. Fernandez Almagros Antologfa a. a. 0. S. 19-22. 14
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