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Psychologie, Geographie und Geschichtswissenschaft entdecken woll– ten. Englischer Organizismus, französischer Positivismus und deut– scher Hegelianismus haben ihren Weg vorgezeichnet; dazu kam Costas „katholischer Liberalismus", Kierkegaards Existenzangst [Unamuno] und Krauses laizistisches Apostolatsbewußtsein. Beide kritisierten einmütig den Liberalismus, verfochten die Wesensein– heit von Hispanidad und Katholizismus und hielten die Gesell– schaft für wesentlicher als den Staat. Die praktischen Folgen waren auch bei den Achtundneunzigern kläglich: sie meditierten über die Nation und kamen zum Separatismus, die beschworen die Hispa– nidad und kamen zum Sozialismus, sie ve,rsenkten sich in die spa– nische Geschichte und gründden eine Republik. Es ist die Frage, inwiefern man bei den Traditionalisten von Ein– heit der Lehre sprechen kann. Zwar stimmen sie in den wichtigsten Thesen miteinander überein, aber sie bringen ganz verschiedene Vornussei_;,ungen mit und haben nicht nur die Scholastik, sondern auch den französischen Traditionalismus studiert. Die Lehren von Balmes lassen sich noch am ehesten vertreten, denn si,e kommen der Wirklichkeit recht nahe. Donoso hielt es für die Hauptsünde des Liberalismus, daß ,er die Er,bsünde leugnete; aber Donosos eigene Hauptsünde [und vielleicht auch sein Hauptverdienst] war die Überzeugung, es lasse sich troi_;, der Erbsünde eine übernatür– liche Ordnung in der Zeit erreichen. Sein Begriff der Tradition ist weiter als der der übrigen T.raditionalisten, und vielleicht ist seine Lehre die Überset,ung des Calder6nschen Theaters in eine groß– artige Prosa des neunzehnten Jahrhunderts. Er hat fast nichts mit dem Liberalismus gemeinsam, weil sich sein gesamtes Denken [im Gegensai_;, zu dem der übrigen Traditionalisten] an der übernatür– lichen Ordnung orientiert. Mellas massiv scholastisches Denken ist ein Mißton in der euro– päischen Literatur des aufgeklärten Jahrhunderts, das am Ende im Antirationalismus ertrank; und so übte diese,r Geist denn auch durch seine Persönlichkeit ,einen viel größeren Einfluß aus als durch seine Lehre; er besaß zu viel Logik und zu wenig Taktik. Balmes beob– achbete, Donoso war ein Mystiker, und Mella packte zu wie ein Scholastiker. Allerdings hatte aiuch Balmes prophetische Züg,e, und Donoso und Mella argumentierten geleg,entlich mit Psychologie und Geschichte. Worin liegt nun am Ende der objektive Wert der traditionalisti– schen Lehre? Vielleicht in der These vom Vorrang und der Form– kraft der geistigen Ordnung, von der Herrschaft Gottes und dem Charakter der Kirche, ihrer Idee des „integralen Menschen" [wie es Mella formulierte] und des Stufenbaus der Gesellschaft von der 112

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